2020 in einem Song zusammengefasst

Anderson .Paak: Lockdown (2020)

„You should have been downtown
The people are risin‘
We thought it was a lockdown
They opened the fire
Them bullets was flyin‘
Who said it was a lockdown?
Goddamn lie!“

Anderson .Paak: Lockdown
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Am 25. Mai 2020 nehmen vier Polizeibeamte in Minneapolis den 46-jährigen Afroamerikaner George Floyd fest. Der Kassierer eines Ladens hatte die Polizei gerufen und angegeben, der Mann habe mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein einkaufen wollen. 17 Minuten nachdem das erste Einsatzfahrzeug eintrifft, liegt Floyd leblos am Boden. Einer der Beamten kniet auf seinem Hals und hat ihm acht Minuten lang die Luft abgedrückt.

Eine Passantin hat den Todeskampf des unbewaffneten Mannes dokumentiert: sein Flehen, den gleichgültigen Blick des Polizisten, die Bitten der Zeugen, er solle von dem wehrlosen Mann ablassen. Über zwanzig Mal presst Floyd hervor: „I can’t breathe“ – „Ich kriege keine Luft“. Das Video ist kaum zu ertragen.

In Minneapolis und im ganzen Land ziehen Menschen, vor allem schwarze US-Bürger, auf die Straße, um gegen die Polizeigewalt zu protestieren, die einfach nicht enden will. Eine über viele Jahre aufgestaute Wut entlädt sich in Ausschreitungen. „I can’t breathe“ steht auf den Plakaten und „Black Lives Matter“ – „Die Leben von Schwarzen zählen“. Rund um den Globus finden aus Solidarität Demonstrationen statt.

Die Proteste fallen mitten in die Zeit der Covid19-Pandemie. Die USA haben längst Italien als das Land mit der höchsten Infektionszahl abgelöst. Rund 1,7 Millionen Infizierte und über 100.000 Tote zählen die USA Ende Mai. Während die Neuinfektionen in den meisten europäischen Ländern stark zurückgehen, sind sie in den USA noch immer hoch. Die Infektionen treffen besonders häufig Afroamerikaner. US-Präsident Trump betreibt eine irrlichternde Politik und droht Gouverneuren, die Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürger verordnen.

Der Sänger, Rapper und Schlagzeuger Anderson Paak schließt sich den Protestmärschen an. Er arbeitet gerade an einem Song, der eigentlich fast fertig ist. Paak hält inne, um die Ereignisse auf sich wirken zu lassen, und schreibt einen neuen Text. Der Musiker beschreibt einen Wendepunkt: „Time heals all / but you’re out of time now“ – „Die Zeit heilt alle Wunden, doch die Zeit läuft nun ab“. „Ich habe gemerkt, dass das Problembewusstsein zunimmt“, erklärt er in einem Interview. „Die Leute lassen sich nicht mehr vormachen, alles sei ok. Es ist einfach so offensichtlich. Sie haben genug!“

Den Song „Lockdown“ veröffentlicht Paak am 18.6., dreieinhalb Wochen nach George Floyds gewaltsamem Tod. Paak singt über die Proteste und Covid, über Arbeitslosigkeit und die Polizei, die mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Demonstranten vorgeht. Mit seinem Song fängt er einen Moment ein, in dem alles zusammen kommt: Polizeigewalt, Rassismus, die Kriminalisierung der legitimen Black Lifes Matter-Proteste, die Pandemie. 2020 in a nutshell.

Während die große Mehrheit friedlich demonstriert, nehmen Ausschreitungen und Plünderungen in der Berichterstattung einen großen Raum ein. Paak zeigt in wenigen Worten, wie bequem und einseitig das ist: „Stayin‘ quiet when they killin‘ niggas, but you speak loud / When we riot, got opinions from a place of privilege.“ („Du bleibst stumm, wenn Schwarze ermordet werden, doch du erhebst deine Stimme, wenn wir randalieren. Deine Meinung zeigt, wie gut du es hast.“) Aus „Lockdown“ spricht die Hoffnung, dass nun endlich über den Rassismus und die Brutalität gesprochen wird, unter denen Afroamerikaner seit langem leiden.

Der Refrain gibt die ganze Zerrissenheit der Lage wieder: „Du hättest in der Stadt sein müssen / die Menschen lehnen sich auf / wir dachten, es wäre Lockdown / sie haben auf uns geschossen“. „Ob es Gummigeschosse sind, scharfe Munition oder das Hinknien auf dem Hals eines Typen – wir sollten doch eigentlich drinnen sein, wir sollten sicher sein, wir sollten doch versuchen, durch die Pandemie zu kommen“, sagt Paak. „Aber aus irgendwelchen Gründen werden jeden Tag People of Color auf der Straße getötet. Dafür ist immer noch Zeit, trotz Lockdown.“

Anderson .Paak erzählt die Entstehungsgeschichte des Songs
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Martin Kaluza, Dezember 2020

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