Pete Seeger: Where Have all the Flowers Gone? (1955)
„Where have all the soldiers gone, long times passing?
Pete Seeger: Where Have all the Flowers Gone?
Where have all the soldiers gone, long time ago?
Where have all the soldiers gone?
Gone to graveyards, everyone
Oh, when will they ever learn?
Oh, when will they ever learn?“

Um 1950 herum stolpert der US-amerikanische Folksänger Pete Seeger in Michail Scholochows Roman „Der stille Don“ über ein ukrainisches Volkslied. Die Handlung des Romans spielt in der Zeit der Oktoberrevolution. In einer Passage reiten Donkosaken fort, um sich der Armee des Zaren anzuschließen. Sie singen: „Wo sind die Blumen? Mädchen haben sie gepflückt. Wo sind die Mädchen? Sie alle haben geheiratet. Wo sind die Männer? Sie sind alle in der Armee. Galopp, Galopp, Galopp!“
Seeger schreibt die Zeilen in sein Notizbuch. Fünf Jahre später trifft ihn beim Dösen im Flugzeug die Inspiration: Die Worte „long time passing“ würden sich doch gut singen lassen – im Deutschen werden sie als „Wo sind sie geblieben?“ übersetzt. Aus den alten Notizen und der neuen Eingebung macht er einfach einen neuen Song, ergänzt um die pädagogische Zeile: „When will they ever learn?“
Seeger veröffentlicht das Stück 1955 im Magazin „Sing out!“ „Ich dachte, ich hätte die Melodie selbst geschrieben,“ erinnert er sich einmal. „Bis mir ein Jahr später ein Freund schrieb und mich darauf aufmerksam machte, dass sie sehr der Melodie eines Holzfällersongs aus Adirondacks ähnelte, den ich einmal aufgenommen hatte.“ Ein irisches Lied: „Johnson says he’ll unload more hay / Says he’ll unload ten times a day“.
1960 schließlich schreibt Seegers Freund und Folksänger Joe Hickerson noch zwei weitere Strophen, und erst mit ihnen schließt sich der Kreis des Textes: „Sag, wo die Soldaten sind / Über Gräbern weht der Wind“ und „Sag mir, wo die Gräber sind / Blumen wehen im Sommerwind“.
„Where Have All the Flowers Gone“ erscheint mitten im kalten Krieg, auf dem ersten Höhepunkt des atomaren Wettrüstens. Radio und Fernsehen tragen wenig zu seiner Verbreitung bei. Noch bis weit in die 1970er Jahre wird Pete Seeger vom US-Rundfunk boykottiert. Die Ausnahme bleibt ein Fernsehauftritt 1967 in der Comedy-Show der Smothers-Brüder (einer von ihnen ist später auf der Originalaufnahme von „Give Peace a Chance“ zu hören). Seeger nutzt die Gelegenheit, einen Song gegen den Vietnam-Krieg vorzutragen – was ihm nur weitere Jahre der TV-Verbannung einbringt. Der Erfolg des Blumen-Liedes ist trotzdem nicht aufzuhalten.
Joan Baez nimmt eine Version auf. Die von Peter, Paul & Mary wird ebenfalls zum Hit. „Das Kingston-Trio sang das [Lied] auch, und Marlene Dietrich übernahm es von denen“, sagte Seeger in einem Interview mit dem Neuen Deutschland. „Max Colpet machte eine deutschsprachige Version, die sich besser singen lässt als meine englische. Es klingt im Deutschen wirklich noch beeindruckender: ‚Sag mir wo die Blumen sind.’“
Martin Kaluza, Juli 2022