Band Aid: „Do They Know It’s Christmas“ (1984)
„And there won’t be snow in Africa this Christmas time
Band Aid: „Do They Know It’s Christmas“
The greatest gift they’ll get this year is life (Ooooh)
Where nothing ever grows, no rain or river flows
Do they know it’s Christmas time at all?“

Am Bob Geldof, der Sänger der Boomtown Rats, sieht eine BBC-Doku über die Hungersnot im Norden Äthiopiens. Eine heftige Dürre hat das Land ausgetrocknet, die Militärregierung trägt nichts dazu bei, den acht Millionen Betroffenen zu helfen, im Gegenteil, sie steckt alles Geld in den Kampf um die inzwischen unabhängige Region Eritrea.
Der Reporter Michael Buerk berichtet aus einem Flüchtlingslager in der nordäthiopischen Stadt Korem und spricht von einer Hungersnot „biblischen Ausmaßes“. Bis zu einer Million Menschen verhungern, es ist schwer zu schätzen. Die Bilder der BBC gehen um die Welt.
Geldof will etwas gegen den Hunger unternehmen: Er schreibt einen Song mit Midge Ure, dem Sänger von Ultravox, und trommelt dutzende Stars zusammen, um ihn einzusingen: U2, Bananarama, Duran Duran, Spandau Ballet, Status Quo, Sting, Boy George und Paul Young.
In der ersten Strophe beschwören Paul Young und Boy George den Geist einer friedlichen Weihnacht in unserer Welt des Überflusses. George Michael und Simon LeBon bringen eine neue Perspektive ins Spiel: „But say a prayer / Pray for the other ones“.
Noch bevor im Refrain die Dürre in Afrika erwähnt wird, singt Bono die etwas unglücklichen Zeilen: „Well, tonight thank God it’s them instead of you“ – „Heute trifft es Gott sei Dank sie, nicht dich“. Die musikalische Klimax ist mit der rhetorischen Frage erreicht: Wissen sie überhaupt, dass Weihnachten ist?
Die Beteiligten verzichteten auf ihre Gagen. Geldof telefoniert Kaufhausketten und Plattenhändler ab, um sicherzustellen, dass auch sie auf ihren Anteil verzichten. Allein Margret Thatcher kann er nicht überzeugen, die Erlöse von der Umsatzsteuer zu befreien.
„Do They Know It’s Christmas“ springt in UK direkt auf Platz 1, es wird der erfolgreichste britische Song der 1980er Jahre. Harry Belafonte ist so beeindruckt von dem Benefiz-Song, dass er mit Michael Jackson, Lionel Ritchie und vielen anderen US-Stars im Folgejahr ebenfalls einen aufnimmt: „We Are the World“.

Damit ist es nicht zu Ende: Am 13. Juli 1985 findet mit „Live Aid“, ebenfalls von Geldof und Ure organisiert, parallel in London und Philadelphia das größte Rockkonzert der Welt statt. In Radio und Fernsehen hören weltweit 1,5 Milliarden Menschen zu, auch hier fließen die Erlöse in die Hungerhilfe.
Zu den Jubiläen 1989 und 2004 und 2014 erscheinen neue Fassungen von „Do They Know It’s Christmas“. Zum 40. Jubiläum erscheint 2024 ein Remix aus den vorigen Fassungen. In einem Interview zum 35-jährigen Erscheinen schätzt Geldof, dass über die Jahre 200 Millionen Pfund an Einnahmen zusammengekommen seien.
Doch der Song zieht auch Kontroversen nach sich. Der erste Vorwurf trifft die Stars bereits damals: Sie machten das doch nur, um sich im Gespräch zu halten und ihre eigenen Plattenverkäufe zu verbessern.
Ein BBC-Korrespondent meldet aus Äthiopien: Natürlich wissen die Menschen dort, dass Weihnachten ist. Die Hungersnot treffe vor allem die christlich-orthodoxe Region Tigray.

Mit den Jahren wird ein anderer Vorwurf immer lauter: Afrika werde in dem Song stereotyp als Ort des Hungers und des Schreckens dargestellt, die Perspektive sei letztlich eine koloniale. Die Hungersnot betraf den Norden Äthiopiens, doch im Song wird das Land gar nicht genannt. Die Rede ist nur von: Afrika.
„Ich bin für zwei der schlimmsten Songs in der Geschichte verantwortlich“, sagt Bob Geldof einmal über „Do They Know It’s Christmas“ und „We Are The World“. Er brauche nur im Supermarkt an die Fleischtheke zu gehen, und da werden sie unweigerlich gespielt: „Every fucking Christmas.“
Martin Kaluza, Dezember 2024
Mit ein paar Tagen Verspätung (seht sie mir nach…).
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