Politisch wider Willen

Pharrell Williams: Happy (2013)

„Clap along if you feel like a room without a roof
Clap along if you feel like happyness is the truth
Clap along if you know what happyness is to you
Clap along if you feel like that’s what you wanna do“

Pharrell Williams: Happy
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Donald Trump ist zu Scherzen aufgelegt. Auf einer Tagung der Future Farmers of America in Indianapolis berichtet er, jemand hätte ihm gesagt, seine Haare sähen heute irgendwie anders aus. „Ich sagte ihm: Ich habe heute morgen unter dem Flügel der Präsidentenmaschine eine Pressekonferenz gegeben, eine sehr unerfreuliche Konferenz.‘ Der Wind blies, es regnete, und ich war klatschnass. Deshalb sieht es heute so aus. Ich meinte: ‚Vielleicht sollte ich diesen Termin absagen, weil ich einen Bad-hair-day habe.’“

Trump ist im Wahlkampf, in weniger als zwei Wochen die Wahlen zum Repräsentantenhaus an, die „Midterm“-Wahlen. Am gleichen Abend tritt der US-Präsident noch auf einer Wahlkampfveranstaltung in Murphysboro in Illinois auf. Sein Team beschallt die Arena mit „Happy“, dem gut gelaunten Welthit des Popstars und Produzenten Pharrell Williams.

Der eingängige Song ist eine Hymne an die Lebenslust. Im dazugehörigen Video tanzen Menschen aus aller Welt und jeden Alters. Das Video, von dem Williams sogar eine 24-Stunden-Version produziert, feiert, was die Menschen eint. In jeder einzelnen Hinsicht repräsentiert der Song das genaue Gegenteil zu der provokativen, spaltenden, von Hass getriebenen Rhetorik und Politik unter Trump.

Doch heute, am 27. Oktober 2018, ist es besonders unpassend, den Song zu spielen. Am Vormittag war ein 46-jähriger Attentäter in die Tree of Life-Synagoge in Pittsburgh eingedrungen und hatte elf Menschen erschossen. Er hatte gezielt den Sabbat gewählt, den besucherreichsten Tag. Zuvor hatte er auf dem unter Rechtsradikalen populären sozialen Netzwerk Gab Hassbotschaften verbreitet und seine Tat unmittelbar angekündigt.

Pharrell Williams wehrt sich gegen die Vereinnahmung seines Songs. Über seinen Anwalt schickt er dem Präsidenten eine Unterlassungsaufforderung. Darin heißt es: „Am Tag des Massenmords an 11 Menschen durch einen verwirrten ‚Nationalisten‘ spielten Sie dem Publikum einer politischen Veranstaltung in Indiana den Song ‚Happy‘ vor. Es ist nichts Fröhliches an der Tragödie, die unser Land am Samstag traf, und Sie hatten keine Erlaubnis, den Song zu diesem Anlass zu spielen.“

Williams ist nicht der erste Musiker, der mit Trumps Kampagnen nichts zu tun haben will. Auch Neil Young, R.E.M., Aerosmith, Adele, Elton John, Queen, Earth, Wind & Fire, die Beatles, Rihanna und Guns N‘ Roses wollten nicht, dass ihre Songs dort gespielt werden.

Der Unwillen der Musiker trifft auch andere Politiker. 2005 ließen die Rolling Stones der CDU befremdet ausrichten, die Band hätte ihr nicht erlaubt, auf Parteitagen „Angie“ zu spielen. Die Elektropop-Band MGMT verklagte Nicolas Sakorzys Partei UMP, weil sie den Song „Kids“ im Wahlkampf nutzte. Und selbst Barack Obama, der sonst von vielen Musikern unterstützt wird, erhielt 2008 eine Abfuhr: Sam Moore, eine Hälfte des Soul-Duos Sam & Dave, bat ihn, den Song „Hold On I’m Coming“ nicht mehr auf Wahlveranstaltungen zu spielen.

Rechtlich können Musiker wenig ausrichten. Die Kampagnenteams kaufen von den Verwertungsgesellschaften ASCAP und BMI, die in Deutschland etwa der GEMA entsprechen würden, Lizenzpakete für unzählige Songs.

Im Juli 2020 setzt schließlich die Artist Rights Alliance (ARA) einen offenen Brief auf. Über 50 Musiker und Bands – von den Rolling Stones über Adele bis zu Rihanna – fordern klare Regeln für Republikaner und Demokraten gleichermaßen: Wer einen Song für Kampagnen nutzen will, soll grundsätzlich um Erlaubnis fragen.

Martin Kaluza, Oktober 2020

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